20. bis 23.03.2025

her:voice II

Kompo­nistinnen­festival
Das Komponistinnenfestival „her:voice“ geht in die zweite Runde – und das Programm, das es zu entdecken gilt, ist auch in diesem Jahr wieder reichhaltig gefüllt. Zum zweiten Mal hat es sich das Festival zur Aufgabe gemacht, einen Blick über die Grenzen des Kanons hinaus zu werfen und das musikalische Schaffen von Frauen in Vergangenheit und Gegenwart sichtbar zu machen.

Als „Brooklyn’s post-millennial Mozart“ wird die US-amerikanische Komponistin Missy Mazzoli (*1980) gefeiert, die zuletzt u. a. einen Kompositionsauftrag der Metropolitan Opera New York für die Spielzeit 2026 erhielt und zweimal für die Grammy Awards nominiert ist. In Essen feiert nun ihre Oper „The Listeners“ (Regie: Anna-Sophie Mahler) ihre deutsche Erstaufführung und erzählt von Manipulation, Machtmissbrauch und sektenähnlichen Gemeinschaften.

In das Getümmel der Weltstädte Paris und Wien hingegen entführen eine Wiederaufnahme im Musiktheater sowie das Konzertprogramm der zweiten Ausgabe von „her:voice“. Hier, im Paris des 19. Jahrhunderts, entstand Louise Bertins (1805-1877) Oper „Fausto“ (Regie: Tatjana Gürbaca), mit der die Französin ein eindrucksvolles Werk am Puls ihrer Zeit schuf.

Hier, im Paris des beginnenden 20. Jahrhunderts, lebte und wirkte auch Charlotte Sohy (1887-1955). Um von ihren Zeitgenossen ernstgenommen zu werden, signierte sie einst ihre Kompositionen als „Charles Sohy“. Unter diesem Pseudonym widersetzte sich Sohy den damaligen Erwartungen an Frauen, sich in ihrem Schaffen vorwiegend auf Lieder und Kammermusik zu beschränken – ganz im Gegenteil: Unter dem Eindruck des Ersten Weltkriegs entstand ihre große Sinfonie „Grande Guerre“, ein Orchesterwerk voller kühner Harmonien, impressionistischer Farben und klanglicher Intensität, das im Sinfoniekonzert VIII der Essener Philharmoniker erklingt.

Über Sohys Zeitgenossin Alma Mahler (1879-1964) existieren zahlreiche Zuschreibungen, stets bezogen auf ihre Beziehungen zu großen Künstlern ihrer Zeit: von der „femme fatale“ über die zügellose Muse bis hin zur „Witwe im Wahn“. Weitaus weniger bekannt ist das kompositorische Wirken der Kunstförderin Mahler, von der „Fünf Lieder für Alt“ (in der Orchestrierung von Jorma Panula) im Alfried Kupp Saal zu hören sind. Das Wirken Mahlers wird zudem ein Gesprächskonzert näher beleuchten. Hinzu gesellen sich im Sinfoniekonzert VIII mit den Werken Anna Clynes (*1980) und Kaija Saariahos (1952-2023) auch zeitgenössische Klänge: Für „Color Field“ ließ sich die Londonerin Clyne von den Gemälden Mark Rothkos und deren Farbkombinationen inspirieren. „Ciel d’hiver“ hingegen entstammt der Orchestertrilogie „Orion“ der Komponistin Kaija Saariaho – eine sphärische Musik, die die Traumwelt des Unterbewussten beschwört. Weitere Facetten des Schaffens komponierender Frauen fördert die Kooperation mit der Philharmonie Essen zutage: Mit „Seraphim“ widmen sich das B’Rock Orchestra und das Vocal Consort himmlischen Klängen von Hildegard von Bingen, Louise Farrenc, Sofia Gubaidulina und zahlreicher weiterer Komponistinnen aus verschiedenen Jahrhunderten.

Im Zusammenspiel von Theorie und Praxis bieten darüber hinaus auch in diesem Jahr Vorträge und der Austausch mit namhaften Wissenschaftler*innen die Möglichkeit, das Schaffen komponierender Frauen aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten und bisher Ungehörtes (und Ungesehenes) kennenzulernen.
Das Festival „her:voice“ findet in Kooperation mit dem Institut für Musikwissenschaft und
Interpretationsforschung der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien statt.
Gefördert von der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung